Betroffene
«Wer positiv mitdenkt, hat bei der Behandlung bessere Chancen»
Ernst ist es sich gewohnt, in schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren, zu analysieren und pragmatisch Lösungen zu finden. Kurz: Ernst ist ein optimistischer Macher. Und so ist er auch seine Lungenkrebserkrankung angegangen.
Der 76-jährige Ernst ist in seinem Berufsleben sehr viel in der Welt herumgekommen. Er startete als Mechaniker in der Textilindustrie. Schon früh zog es ihn ins Ausland. Nach einem Studium zum Textilingenieur stieg er über verschiedene Stationen bis ins Management einer Grossfirma auf. Mit 50 Jahren machte er sich schliesslich als Unternehmensberater selbständig.
Schon seit langem engagiert sich Ernst in NGOs wie «People To People International» und in Vereinen. Das ist ihm wichtig. Er lebt heute mit seiner Frau in Hinterkappelen im Kanton Bern. Seine beiden Kinder sind schon länger ausgeflogen.
Früher ging Ernst bei seinen Hobbies gerne an die Grenzen, so bei extremen Bergsteigerkursen oder im Eishockey- und Handballklub. Heute nimmt er es gemütlicher, wenn er wandert oder schwimmt. Anderen zu helfen, steht bei ihm weiterhin hoch im Kurs. So «gärtelet» er unter anderem bei Kunden über RentaRentner und macht Büroarbeiten bei Kunden über seniors@work.
Ein Bekannter, der Ernst schon lange kennt, sagt über ihn: «Ernst ist für mich der Inbegriff einer von Energie nur so strotzenden Persönlichkeit, mit einer überaus positiven Ausstrahlung und Lebenseinstellung». Er ist ein Macher. Pragmatisch und lösungsorientiert. Und so ist er auch seine Lungenkrebserkrankung angegangen.
Glück im Unglück
Es begann vor Weihnachten im Jahr 2022. Ernst hatte komische Schmerzen unter dem linken Schulterblatt. Und diese strahlten entlang des linken Armes bis in die Fingerspitzen aus. Wie sich später zeigte, drückte ein Tumor auf dem linken Lungenlappen auf einen Hauptnervenstrang unter der Achsel, was die Schmerzen auslöste.
Im Januar 2023 folgten unter anderem eine Computer-Tomographie (CT) und eine Biopsie, um die Tumor-Gewebe zu analysieren. Ergebnis: Ein grösserer Tumor auf dem linken Lungenlappen und ein kleinerer Tumor in der Mitte des rechten Lungenlappens. Glücklicherweise waren beide Tumore seltene und nicht aggressive Typen ohne Ableger, Zysten oder Metastasen. Und beide sind chirurgisch komplett entfernbar.
Der kleine Tumor im rechten Lungenlappen wurde Ende Januar komplett entfernt. Der grössere musste vor der geplanten minimal-invasiven Operation (Knopfloch-Chirurgie) mit Chemotherapien und Bestrahlung so weit wie möglich verkleinert werden. Die Nebenwirkungen hielten sich in erträglichen Grenzen. Ernst erzählt: «Das ganz Gute ist, dass ich nach dem zweiten Tag Chemo im Februar bis heute komplett schmerzfrei bin, also keine Medikamente schlucken muss!». Im Mai folgten zwei weitere Runden Chemotherapie. Dann die minimal-invasive Operation. Diese wurde Ende Juni erfolgreich durchgeführt. Ernst litt danach unter starken Schmerzen und sein linker Oberkörper war geschwollen. Dennoch war er sehr zufrieden, denn der Laborbericht zum entfernten Tumorgewebe war sehr positiv. Und der Chirurg war überzeugt, dass er alle Tumorzellen entfernt hatte. Um sicher zu gehen, wird Ernst trotzdem weiter eng überwacht. Und ab Mitte September startet er eine Immuntherapie.
Diagnose als Weckruf
Die Diagnose empfand Ernst als jähen gesundheitlichen Weckruf. Dies nach 75 Jahren positiv aktivem Vorwärtsleben und nachdem er 52 Jahre lang Zigaretten in unterschiedlichsten Mengen geraucht hatte. Da hiess es ruhig bleiben, ruhig zuhören und analysieren, was ihm die Ärztinnen und Ärzte erzählten. Der Therapievorschlag des Tumorboards machte für ihn Sinn. Das schaffte Vertrauen. Hoffnung gab ihm die gute Prognose. Dann hiess es für ihn: «pragmatisch durchziehen». Dank der guten Prognose und das Vertrauen in die behandelnden Ärzt*innen erlebte Ernst keine Gefühlsstürme. Er blieb ganz ruhig. Wie früher im Beruf. «Mich haute schon im Geschäftsleben so rasch nichts um», meint er rückblickend.
Hürden überwinden
Schwierig wurde es für den sehr aktiven Ernst während den Behandlungen. «Da die Therapien viel Kraft aus dem System nahmen, musste ich viel ruhen und meine Kräfte stark einteilen, sodass ich kaum von zuhause wegkam». Ihm war es wichtig, wieder einen guten Tagesrhythmus für sich zu finden. Und trotz Schwäche aus dem Bett zu kommen und sich zu bewegen. «Da musste ich mir schon manchmal innerlich einen Tritt geben», erinnert er sich.
Wichtig war für Ernst die Hilfe seiner Frau. «Dank ihrer gesundheitlich guten Verfassung, war sie eine sehr zuverlässige Fahrerin zu den vielen Terminen und wieder abholen sowie eine sehr flexible Köchin. Das gab mir Kraft und ich schätzte es sehr», erzählt er dankbar.
Die gute Prognose half ihm, vieles auszuhalten. So konnte er mit Optimismus auch schwierige Phasen überwinden, etwa die starken Schmerzen nach der zweiten Operation. Oder der zeitweise Geruchs- und Geschmacksverlust. Am schwierigsten war für Ernst, dass nicht die ganze Familie seinen Optimismus teilte. «Es hat sie teilweise stark durchgeschüttelt», bedauert er. Doch gemeinsam standen sie die schwierigen Zeiten durch. «Wie vielen anderen war ihnen nicht bewusst, dass es bei Lungenkrebs heute viele gute Behandlungsmöglichkeiten gibt», erzählt er. Das müsse sich ändern, meint er engagiert.
Darüber reden
Ernst kommunizierte sehr offen über seine Erkrankung. In einem E-Mail erzählte er Bekannten und Freund*innen ausführlich «die Geschichte meiner gesundheitlichen Baustelle». Und er aktualisiert seine Geschichte gelegentlich, damit alle auf dem neusten Stand sind. «Ich habe viele Komplimente dafür bekommen. Es gab aber auch Stillschweigen», erzählt er. Daneben hat der sehr kommunikative Ernst auch viele Gespräche über seine Erkrankung geführt.
Und heute?
Die Energie ist noch nicht ganz zurückgekehrt. «Sonst geht es mir gut und ich sehe positiv in die Zukunft,» meint er. Und Ernst ist wieder sehr aktiv. Aktuell organisiert er für die «SeniorInnen im Netz» ein Waldhüttenfest für 30 Personen. «Ich mache fast alles selbst, vom Organisieren bis zum Einkaufen», erzählt er. Ganz nach seinem Motto: «Ich helfe, wo ich kann!».