Anders als bei anderen Krebsarten erleben Lungenkrebsbetroffene oft Vorurteile und Stigmatisierungen: Als Raucher seien sie ja selbst schuld an ihrer Erkrankung. Das ist nicht nur falsch, sondern hat auch gravierende Auswirkungen auf die Lebensqualität und Überlebensraten von Betroffenen.
Auswirkungen des Stigmas
Das Stigma des Lungenkrebses wirkt sich auf unterschiedliche Weise aus. Betroffene mit Symptomen gehen aus Angst vor Vorurteilen zu spät zum Arzt. Dadurch wird möglicherweise die Erstdiagnose verzögert und damit wertvolle Zeit für eine erfolgreiche Behandlung verloren. Als Beispiel dient der Bluthusten. Den Betroffenen ist oft der Zusammenhang zwischen Rauchen und Erstsymptomen bewusst, doch lassen sie sich dann trotzdem nicht untersuchen und die Symptome abklären. Die Symptome werden verleugnet und damit wird die Konfrontation mit einer möglichen schlechten Nachricht vermieden. Fälschlicherweise kommt dann noch die Annahme hinzu, dass bei einer Lungenkrebsdiagnose die Prognose grundsätzlich schlecht sei. Das kann eine verspätete Überweisung an ein spezialisiertes Krebszentrum zur Folge haben.
Menschen, die mit Lungenkrebs leben, haben ausserdem eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Angststörungen und depressive Erkrankungen, was ihre Lebensqualität massiv beeinträchtigt.
Das Stigma beeinflusst auch die Forschung. Die für Lungenkrebs bereitgestellten Mittel sind proportional niedriger als beispielsweise für Brustkrebs. Je höher die Zahl der behandelten Patient*innen ist, desto höher sind die Ausgaben für die Forschung nach neuen Medikamenten. Durch das Stigma wird jedoch die Zahl der Lungenkrebsbetroffenen verringert, die eine Behandlung in Anspruch nehmen. Dies wirkt sich sowohl auf die Forschungsausgaben als auch auf die Zahl der Medikamente aus, die zur Bekämpfung von Lungenkrebs entwickelt werden.
Wer Lungen hat, kann Lungenkrebs bekommen
Wie kann man nun diesem Stigma entgegenwirken? Zuerst muss man sich bewusst sein, dass jeder, der Lungen hat, Lungenkrebs bekommen kann. Rund 20 Prozent der Lungenkrebspatient*innen haben nicht geraucht und gesund gelebt. Lungenkrebs kann auch durch Radon, Asbest oder Passivrauchen verursacht werden. Manche Personen haben ein genetisch bedingtes höheres Risiko.
Auch wer geraucht hat, sollte nicht zum Sündenbock abgestempelt werden. Denn oft macht es niemandem Mühe zu denken, dass ein ein(e) Raucher*in selbst schuld sei, wenn er Lungenkrebs bekommt. Doch keinem würde es einfallen, sich beim Skifahren die Schuld für die Folgen eines Ski-Unfalls zuzuschreiben, nur weil er oder sie auf die Piste gegangen ist. Wenn jemand also sagt, dass er oder sie Lungenkrebs hat, ist "Hast du geraucht?" die falsche Frage. Die Antwort spielt keine Rolle. Alle Menschen mit einer Lungenkrebsdiagnose verdienen unser Mitgefühl, egal ob sie Raucher*innen sind oder nie einen Zug genommen haben.
Darüber sprechen
Viele Betroffene neigen zur Selbststigmatisierung und geben sich die Schuld an ihrer Erkrankung. Oftmals wird dann gar nicht mehr über das Thema gesprochen. Stigmas können aber nur abgebaut werden, indem man kommuniziert und aufklärt. Das Gespräch mit Psychoonkolog*innen kann dabei helfen, diese Schuldgefühle zu verarbeiten. Hilfreich sind auch Selbsthilfegruppen, die es den Betroffenen erleichtern können, sich mitzuteilen. Und auch mit den Angehörigen und dem Umfeld empfiehlt es sich, über das Stigma und die belastenden Vorurteile zu sprechen.