Für die allermeisten Menschen ist die Diagnose Lungenkrebs ein zutiefst erschütterndes Erlebnis. Nach dem ersten Schock beginnen mannigfaltige Verarbeitungsprozesse, die sich in den Grundzügen ähnlich und doch von Mensch zu Mensch verschieden sind. Lungenkrebs zählt zu den Krebsarten mit einer vergleichsweise sehr hohen Todesrate. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Lungenkrebs meist erst sehr spät entdeckt wird. Gerade deswegen ist es in dieser frühen Phase sehr wichtig, dass Betroffene sich bewusst machen, welche Fortschritte die medizinische Forschung und Entwicklung in den letzten Jahren gemacht hat und welche erfolgversprechenden Therapien gerade entwickelt werden. Die durchschnittliche Überlebenszeit hat sich selbst bei fortgeschrittenem Lungenkrebs massiv erhöht und auch die Lebensqualität in dieser Zeit hat sich erfreulich entwickelt. Wenngleich die Medizin noch weit von einer zuverlässigen Heilungsmethode für die diversen Typen von Bronchialkarzinomen entfernt ist, gibt es gute Gründe für Hoffnung bei den Betroffenen.
Nach dem ersten Schock
In der ersten Phase nach Mitteilung der Diagnose befinden sich die meisten Betroffenen in einem Schockzustand. Gerade bei jüngeren Menschen, die mitten im Leben stehen, ist diese Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit ein massiver Schlag. Die gesamte Zukunft ist in Frage gestellt und dennoch müssen in kürzester Zeit überlebenswichtige Entscheidungen getroffen werden. Auch wenn jede Reaktion auf eine solche Diagnose höchst unterschiedlich ausfällt, sind Gefühle von Angst, Überforderung und Hilflosigkeit sehr verbreitet. Wichtig ist in solchen Momenten zu akzeptieren, dass bei der ganzen Überwältigung eine gewisse Normalität in den Reaktionen liegt. Sie sind nicht Zeichen von Schwäche und Unfähigkeit, sondern der ganz normale Beginn von Verarbeitungsprozessen, die wir seit Kindesbeinen eingeübt haben. Alle kleinen Katastrophen im Leben lehren uns über die Jahre, mit den grossen Katastrophen umzugehen.
Als ganz praktische Hilfe kann es in solchen Situationen angezeigt sein, zu den Untersuchungs- und Arztterminen eine Person des Vertrauens mitzubringen. Gerade wenn die eigene Überforderung mit der Lage eine vernünftige Aufnahme und Verarbeitung von Informationen nicht mehr zulässt, ist die Begleitperson geeignet, als Stütze und Stellvertretung einen Teil der Kommunikation zu übernehmen.
Selbsthilfe
Im Prozess von Krankheit und Heilung spielen Angehörige, Freunde aber auch professionelle Begleiter*innen eine ungeheuer wichtige Rolle, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Aber der entscheidende Beitrag in solchen Situationen kann immer nur von den Betroffenen selbst kommen. Es sind ihre Körper und ihre Psychen, die leiden. Sie müssen die Entscheidungen treffen und mit den Folgen dieser Entscheidungen leben.
Ganz wichtig ist ganz am Anfang, mit allen möglichen Schuldgefühlen abzuschliessen. Niemand trägt Schuld an seiner Erkrankung. Das gilt ganz besonders für eine Krankheit wie Lungenkrebs, der hartnäckig das Stigma der «Raucherkrankheit» anhängt. Wichtig ist auch hier der offene Dialog. Alle Gefühle, auch die negativen und schmerzhaften brauchen Raum und Bewältigung. Dies gilt ganz besonders im Umgang mit Angehörigen und Freunden.
Eine Krebserkrankung stellt das ganze Leben auf den Kopf. Selbst die Therapie kann zu einer schweren Belastung werden, sowohl körperlich wie auch geistig. Um sich in diesen Vorgängen nicht gänzlich selbst zu verlieren, ist es hilfreich, wenn man mit allen Beteiligten in einen Dialog auf Augenhöhe führt. Stellen Sie Fragen! Bestehen Sie auf verständlichen Antworten! Sammeln sie Informationen und setzen Sie sich mit allen Erkenntnissen auseinander. Wissen ist immer noch das beste Mittel gegen Angst. Nur wer seine Krankheit, seine Optionen und die Folgen kennt, kann eine informierte Entscheidung treffen und damit leben.
Daneben ist es aber auch wichtig, nicht das ganze Leben von der Krankheit vereinnahmen zu lassen. Die Freude geht nicht aus dem Leben, bloss weil diese Krankheit nun da ist. Suchen Sie nach Ablenkung, nach den kleinen und grossen Freuden des Alltags und räumen Sie dem Genuss einen besonderen Stellenwert im Leben ein. Essen Sie gut, wenn es irgendwie geht. Suchen Sie Unterhaltung und auch nach Herausforderungen.
Nach all diesen Ratschlägen bleibt aber auch festzuhalten, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg finden und gehen muss.
Psychoonkologie
Die Psychoonkologie ist das Fachgebiet der Psychologie, welches sich mit den psychischen und psychosozialen Aspekten von Krebserkrankungen befasst. In dieser relativ neuen Wissenschaft lag der Forschungsschwerpunkt in den 1970er Jahren bei den psychosozialen Ursachen für Krebs. Mit der Hypothese, dass psychosoziale Faktoren eine Krebserkrankung begünstigen würden, machte man sich auf die Such nach der «Krebspersönlichkeit». Diese Hypothese konnte bis heute nicht belegt werden und gilt als verworfen, wenngleich sie sich bei manchen Menschen - auch Fachleuten – einer gewissen Beliebtheit erfreut.
Die moderne Psychoonkologie, wie sie sich seit den 1990er Jahren entwickelt, befasst sich hingegen mit den psychosozialen Folgen einer Krebserkrankung. Je nach den Bedürfnissen von Betroffenen und deren Angehörigen werden Konzepte angeboten, die bei der Verarbeitung psychischer Belastungen in allen Stadien von Krankheit und Heilung helfen können.
Die Schweizerische Gesellschaft für Psychoonkologie bietet auf ihrer Webseite Informationen über das Fachgebiet an und Hilfe bei der Suche nach einer geeigneten Therapie.